Gleichberechtigte Elternschaft als Wirtschaftsfaktor
Warum die gleichberechtigte Aufteilung von Care- und Sorgearbeit sich nicht nur positiv auf die individuelle Partnerschaft, sondern auch gesamt- und privatwirtschaftlich Vorteile bringt.
In Diskussionen und Beiträgen rund um Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie taucht oft das Thema der fairen Auf- und Verteilung von Sorgearbeit und „Mental Load“ auf. Doch dieser Aspekt betrifft nicht nur das private Leben von Paaren und Familien – die Auswirkungen sind gesamtgesellschaftlich und haben große Relevanz für die Wirtschaft.
Who cares?
Müssen wir davon ausgehen, dass “jetzt auch noch die Männer in Teilzeit arbeiten” und somit eine Förderung von beispielsweise Elternzeit für Väter sich nachteilig für Unternehmen auswirkt? Nein! Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Wenn sich Eltern die Sorgearbeit aufteilen, arbeiten beide Partner im Durchschnitt 32 Wochenstunden. Zusammen kommen sie somit auf 64 Wochenstunden – vier Stunden mehr als das tradierte Modell, bei dem Männer klassischerweise mit 40 und Frauen mit 20 Wochenstunden in einem Unternehmen angestellt sind.
Durch diese Aufteilung wird nicht nur die Last fairer verteilt und somit die Gleichberechtigung der Frauen insgesamt weiter vorangetrieben, vielmehr stellt sich eine insgesamt größere Zufriedenheit der Mitarbeitenden ein. Frauen, die stärker in den beruflichen Kontext eingebunden sind, empfinden sich genauso als erfüllter, wie Männer, die mehr Verantwortung im familiären Bereich übernehmen und eine höhere Lebenszufriedenheit erfahren.
Was fehlt? Männliche Rolemodels.
Während es bereits viele Frauen gibt, die sich in Jobsharing-Modellen oder durch Mentoring beruflich vernetzen und echte Alternativen zum klassischen Vollzeitjob vorleben, fehlen an vielen Stellen Männer in ähnlichen Rollen. Nachdem in letzter Zeit vermehrt Artikel über Chefärztinnen in Jobtandems veröffentlicht wurden, habe ich bei meiner Recherche bisweilen keinerlei solche Berichte über männliche Chefärzte gefunden. Insgesamt erscheint es, dass es weniger männliche Fach- und Führungskräfte gibt, die länger als zwei Monate in Elternzeit gehen und im Anschluss nicht in die ursprüngliche Vollzeitposition zurückkehren, um mehr Familienverantwortung übernehmen zu können.
Wie Unternehmen Gleichberechtigung fördern können
Unternehmen spielen eine zentrale Rolle dabei, eine faire Aufteilung der Sorgearbeit zu ermöglichen und zu fördern. Hier sind einige Ansätze, wie Unternehmen zu einer gerechteren Verteilung beitragen können:
- Aufklärung und Sichtbarmachung des „Mental Load“
Der unsichtbare, oft von Frauen getragene mentale Aufwand für die Organisation des Familienlebens muss thematisiert werden. Unternehmen können Schulungen anbieten, die Mitarbeitenden helfen, diese Last zu erkennen und besser zu verteilen.
- Kommunikation von männlichen Rolemodels
Es ist entscheidend, dass Männer, die Care-Arbeit übernehmen, in den Außenauftritt der Unternehmen integriert werden. Männliche Führungskräfte, die sich aktiv für eine partnerschaftliche Aufteilung von Familie und Beruf einsetzen, sollten sichtbar gemacht werden, um als Vorbilder zu fungieren.
- Elternzeit-Programme
Unternehmen können Programme einführen, die es beiden Elternteilen erleichtern, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Flexible Arbeitsmodelle und die Unterstützung von Jobsharing können helfen, eine bessere Balance zu finden.
- Selbstkritische Reflektion der Führungskräfte
Unternehmerische Strukturen zu hinterfragen ist das A und O einer gleichberechtigten Organisation der Arbeitsaufgaben in Teams. Hier dürfen TeamleiterInnen und Führungskräfte einmal kritisch auf die eigenen Strukturen udn die Verteilung des Mentalloads und der Care Arbeit im Arbeitsalltag schauen und gegebenenfalls Änderungen vornehmen.
Die Rolle der Politik: Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Es ist richtig, Unternehmen bei diesem Thema in die Verantwortung zu nehmen, gleichzeitig darf die Rolle der Politik nicht vernachlässigt werden. Gesetzliche Rahmenbedingungen können entweder zu ungleichen Strukturen beitragen oder diese verhindern. Durch eine Reform der Elternzeit-Regelungen oder die Förderung von Jobsharing-Modellen kann der Staat die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt aktiv unterstützen.
Es ist entscheidend, dass diese Verantwortung auf mehreren Ebenen – privat, unternehmerisch und gesellschaftspolitisch – wahrgenommen wird, um langfristig eine echte Veränderung zu bewirken.